„Plötzlich stand Beckenbauer neben uns“
Ich liebe meine Familie. Ich liebe meine Heimat. Und ich liebe Fußball. Doch das passt nicht immer so gut zusammen. Besonders dann, wenn Konflikte, Unterdrückung und Gewalt dazwischen funken. Wie im Kosovo. Da bin ich geboren, da komme ich her. Doch irgendwann ging es einfach nicht mehr. Da packten meine Eltern die Koffer und wir hauten ab. Da war ich so acht Jahre alt. Plötzlich weg, raus und alles hinter sich lassen.
In München strandeten wir dann in einer Gemeinschaftsunterkunft. Das war auch nicht gerade toll. Da saß unsere Familie in einem kleinen Container in der Bodenehrstraße in Sendling, in der Nähe vom Harras. Da wir nur geduldet waren, drohte uns immer wieder die Abschiebung. Nachts im Dunkeln hatte ich schon oft durch die dünnen Wände gehört, wie die Polizei einfach kam und unsere Nachbarn aufweckte. Zwei Stunden blieben zum Kofferpacken, dann waren wir wieder einer weniger.
Doch irgendwann kam plötzlich ein Mann mit Brille. Sein Name war Rudi. Er hatte einen Fußball dabei. Und er brachte die verschiedensten Menschen, Kulturen und Nationen in der Gemeinschaftsunterkunft zusammen. Alle Konflikte und Unterschiede lösten sich auf. Alle, vor allem die Kinder und Jugendlichen, wollten einfach nur spielen, Tore schießen und den ganzen Mist um sich herum vergessen. Das klappte. Auch wenn es hier und da mal etwas turbulent zur Sache ging und auch Fäuste statt des runden Leders flogen. Das war so 1997.
Wir waren anfangs nur ein paar Spieler, dann wurden es immer mehr und schließlich fanden sogar Turniere statt. Rudi war einer der Initiatoren der interkulturellen Straßenfußball-Ligen. Er blieb mit uns am Ball, auf Augenhöhe und gab uns das Gefühl, das uns endlich mal jemand sieht, hört und versteht. So entstanden dann auch die Harras Bulls – unser Team. Mit dem wir durch ganz München und Deutschland zogen und zu internationalen Straßenfußball-Turnieren fuhren. Eine tolle und sehr aufregende Zeit.
Ich werde auch nie vergessen wie ich mich mit meinen Jungs mal während eines Spiels des FC Bayern ins Olympiastadion geschlichen habe. Über einen Seiteneingang sind wir rein, haben einen Fahrstuhl entdeckt und sind mit dem einfach losgefahren. Plötzlich hielt er an, die Tür ging auf und Franz Beckenbauer stand neben uns. Der Hammer! Er hat uns freundlich angelächelt.
Ich träumte damals natürlich davon, Fußballprofi zu werden. Konnte ganz gut mit dem Ball umgehen. Und war auch der Kapitän der Harras Bulls. Ich spielte auch in der Bayernliga. Eine Profi-Laufbahn wäre schon drin gewesen. Doch ein Autounfall stoppte meine Pläne. Aber es gibt ja noch ein Leben neben dem Fußball. Und auf den Kopf gefallen bin ich ja auch nicht. Ich gründete nach meiner ebenfalls turbulenten Schulzeit und kurzen Fußballkarriere mein eigenes Unternehmen. Bin da jetzt der Kapitän und brauche mir über Abschiebung, Geld oder sonstige Dinge keine Sorgen mehr machen. Bei buntkicktgut bin ich auch immer wieder – als Spieler bei Legenden-Turnieren, Trainer oder einfach nur so. Einmal buntkicktgut, immer buntkicktgut – ein Projekt, das für Vielfalt und Zusammenhalt steht. Denn der Fußball vereint und verbindet, öffnet Grenzen, Barrieren und die Augen der Menschen…
von Kastriot Shabani (40)