Eigene Welt hinter Gittern
Sebastian Spring war Straßenkicker, Coach und buntkicker-Redakteur – dann landete er im Gefängnis und startete ein beeindruckendes Comeback! Hier erzählt er seine legendäre Geschichte:
Bei den Arnulf Lions fing meine buntkicktgut-Karriere an. Da habe ich mit Aftab und Shazad, die für mich wie Brüder waren, gekickt. Dieses Straßenfußball-Ding hat mich sofort begeistert und gefesselt. Mit Champions League und den Siegerehrungen mit Musik: We are the Champions. Super spannend. Ich war neun Jahre alt und bin da in eine besondere, heile Welt getaucht, in der ich mich sehr wohl gefühlt habe. In der Schule lief es allerdings nicht so gut, je älter ich wurde. Da habe ich viel Mist gebaut und viel Stress mit den Lehrern gehabt. Die haben immer nur etwas von Verantwortung geredet. Mir jedoch zeigen, was Verantwortung eigentlich bedeutet und wie man Verantwortung wirklich übernimmt, konnten und wollten sie nicht.
Ganz anders lief und läuft das bei Rudi. Da bekommen schon die kleinen Kicker Verantwortung übertragen – in kleinen, einfachen Schritten. So lernst du und verstehst du, was hinter diesem Wort steckt. Das hilft mir bis heute. Doch das änderte leider nichts daran, dass ich damals außerhalb der Straßenliga immer mehr Mist gebaut und viel geklaut habe. Mit 15 Jahren kam ich deswegen in ein Heim und durfte plötzlich nicht mehr zu buntkicktgut. Das nahm mir meine Perspektive, riss mir den Boden unter den Füßen weg. Einbrüche und Körperverletzung kamen hinzu – schließlich saß ich in Stadelheim im Knast, hinter Gittern. 3,5 Jahre wurden mir aufgebrummt.
Nun ist alles aus. Zumal ich auch noch im Gefängnis Mist gebaut habe. Ich konnte einfach nicht aufhören, habe immer die Konfrontation gesucht. Nach einem halben Jahr wurde ich in die Jugendstrafanstalt in Neuburg an der Donau verlegt. Im Nachhinein muss ich sagen, war das mein großes Glück. Dort habe ich einen ganz anderen und neuen Weg eingeschlagen, habe mit der Zeit gemerkt, dass ich auch hinter Gittern etwas gewinnen kann. Die Zeit ist nicht verloren. Im Gegenteil: Ich habe die Zeit, von der man im Gefängnis sehr viel hat, genutzt und meinen Quali für die Mittlere Reife gemacht. Habe sogar mein Abitur abgelegt. Das war hart. Aber Aufgeben gibt’s nicht – hat mich buntkicktgut gelehrt.
Jetzt bin ich seit Januar 2023 draußen. Und das fühlt sich natürlich gut an. Die Welt hinter Gittern war natürlich eine ganz eigene. Doch auch da können Freundschaften und Zusammenhalt entstehen. Außerdem habe ich durch meine Eltern und alten Freunde viel Rückhalt bekommen. Wir haben uns viele Briefe geschrieben, waren immer in Kontakt. Auch mit Rudi. Habe die Verbindung zu buntkicktgut nie verloren. Zumal ich ja nicht nur Fußball gespielt habe. Ich war auch Coach und als Reporter beim buntkicker unterwegs – habe Leute wie den Schlagersänger Andy Borg interviewt. Das war eine sehr lustige und coole Zeit.
Das war damals ein großes und buntes Spiel für mich bei buntkicktgut. Jetzt ist es eine wunderschöne Arbeit. Denn ich habe Rudi natürlich gleich gefragt, ob ich zurück kommen darf. Abasin, ebenfalls ein sehr guter und wichtiger Freund von mir, hatte meine Teams damals übernommen. Er arbeitet übrigens mittlerweile als Justiz-Fachwirt. Bei buntkicktgut arbeite ich als Coach – für die Arnulf Lions, die Arnulf Ladies und Ohio Boys. Und gebe Trainings in Gemeinschaftsunterkünften. Der gute, alte Spirit von buntkicktgut ist immer noch zu spüren und da.
Das wird sich auch in den nächsten 25 Jahren nicht ändern.Es ist auch toll, dass die interkulturellen Straßenfußball-Ligen an immer mehr Schulen aktiv sind, dort Freiräume und Spielräume schaffen, die mir damals bestimmt sehr geholfen hätten. Die wichtigste Basis von buntkicktgut ist und bleibt allerdings die Straße – eine soziale Schule, die jedem offen steht. Und die mir sehr geholfen hat. Dafür möchte ich mich hier nochmal bedanken – bei Rudi und allen Straßenkids. Seit Oktober studiere ich in München übrigens Jura. Wenn ich dann irgendwann einmal Anwalt bin, werde ich mich genau für diese Kids einsetzen.