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„Geht nicht, gibt’s nicht!“

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Schon sein Lachen ist legendär. Kein einziger Kicker, keine einzige Kickerin lacht so schön und breit wie er. Ein Lachen, das er auf und genauso neben dem Bolzplatz zeigt. Ein Lachen, das  verzaubert – Mitspieler wie Gegner, Freunde wie Fremde, alte Onkels und junge Tanten. Bei diesem Lachen würde selbst Timm Thaler erblassen. Bevor uns jedoch vor lauter Lachen, das selbige im Halse stecken bleibt, kommen wir zur Auflösung: Oussman Kofia gehört das, was das Gesicht erstrahlen lässt. Er trainiert gerade auf dem Sportplatz der Winthirschule in Neuhausen eine Gruppe Kinder und Jugendliche. Nach dem Training hat er Zeit für ein paar Fragen. Wir setzen uns auf eine Bank. Die Sonne lacht. Die buntkicktgut-Legende hat einiges erlebt und zu erzählen – von Brücken, Plastiktüten, dem FC Bayern, Taxis und seinem großen Traum.

buntkicker: Hallo Oussi, wie viele Spiele und Pokale hast du mit deinem Lächeln bei buntkicktgut gewonnen?

 

Oussman Kofia: Auf dem Bolzplatz zählen vor allem Tore. Nur mit Lachen kommt man nicht weit. Hier und da sollte man auch noch Tore schießen… (Oussi lacht)

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Wann hast du bei buntkicktgut zum ersten Mal gegen den Ball getreten?

 

Mit zwölf Jahren, das war 2005, bin ich von Togo mit meinem großen Bruder Kader und meiner kleinen Schwester  Richala nach München gekommen. Unser Papa war schon da. Wir wohnten in Neuaubing-West. Ich ging aber in die Ridlerschule im Westend, gleich um die Ecke von der Feuerwache, also von buntkicktgut. Da gab es eine Übergangs-Klasse. Dort gab es eine Schulmannschaft, die in der interkulturellen Straßenfußball-Liga mitgespielt haben – die Ridler Allstars.

 

Und du hattest vorher schon in Togo Fußball gespielt…

 

Klar. Ich spiele seit meiner Geburt Fußball. (Oussi lacht) Wirklich. Ich liebe diesen Sport. In den Straßen von Sokodé, mein Heimatort, haben wir Plastiktüten gesammelt und zusammen geknüllt, zu einer Kugel geformt. Das war dann unser Fußball. Der Untergrund bestand aus Sand und Steinen.

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Hast du dich als Straßenkicker bei buntkicktgut gleich wohl gefühlt?

 

Sehr wohl. Wir haben in meiner ersten Saison in der U12 die „zweite Liga“ gewonnen. Außerdem wurde ich zum sportlichen Vorbild gewählt. Da hatte ich das erste Mal in meinem Leben einen Pokal in den Händen und eine Medaille um den Hals. Das war einfach toll. Ich war mega-stolz! Habe mit Pokal und Medaille in meinem Bett geschlafen und diese am nächsten Tag mit in die Schule genommen.

 

Wie ging es dann weiter?

 

In der nächsten Saison hat mich Murat Llazicani, ein guter Freund von mir, zu den Harras Boys geholt. Er spielte da bereits und hatte mir viel über das Team erzählt. Ein Jahr später hat mich Rudi zu den Harras Bulls geholt – eine große Ehre für mich. 2008 gründete ich meine erste eigene Mannschaft als Street Football Worker – die Red Scorpions. Auch den FC Interculturale trainierte ich – eine ganz besondere Auswahlmannschaft.

 

Du bist auch im Trainerstab vom „Team Germany“ beim FC Bayern Youth Cup.

 

Genau. Das besteht ja zu 100 Prozent aus buntkicktgut-Spielern. Ich bin seit der ersten Auflage, also 2012, beim Youth Cup dabei. In diesem Jahr hat erstmals ein Team aus Togo mitgespielt. Auch allesamt buntkicktgut-Spieler aus unseren Standorten in Sokodé, Lomé und Umgebung.

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Wie oft bist du noch in Togo?

 

Jedes Jahr eigentlich mit buntkicktgut. Durch Corona war das jetzt etwas schwieriger. Ich bin da die Brücke.

 

Was für eine Brücke?

 

Das fing 2011 an. Da kamen wir auf die Idee, dass wir doch auch in Togo eine interkulturelle Straßenfußball-Liga aufbauen können. Und so bin ich damals mit Rudi und meinen Freunden aus Deutschland wie Manoli, Hassudin und Abu nach Sokodé geflogen. Ich habe ihnen meine Heimat gezeigt. Und wir haben im Rahmen des regionalen Kulturfestivals „Festekpé“ ein Turnier, den „Coupe de l´amité“, organisiert, bei dem wir mit Togolesen zusammen gespielt haben. Neben Fairplay, Respekt und Toleranz geht es uns in Togo vor allem um Müll, der in ganz Afrika ein großes Problem ist. So entstand der „Coupe du Quartier Propre“, bei dem die Kids vor dem Turnier gemeinsam Plastik, Dosen und anderes Zeug rund um ihren Bolzplatz sammeln und dabei lernen, wie gut und wichtig eine saubere Umwelt ist.

 

So entstand eine Brücke zwischen München und Togo?

 

Eine sehr breite und lange Brücke, die immer massiver wird.

 

Gemeinsam mit deinem Vater Bagna und buntkicktgut wurde 2013 die „Commission Sport & Developpement“ in Sokodé gegründet. Was hat die für eine Aufgabe?

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In Sokodé und Lomé werden mittlerweile über das gesamte Jahr hinweg in verschiedenen Stadtvierteln buntkicktgut-Turniere veranstaltet. Da wirkt die Commission unterstützend mit. In ihr befinden sich auch die Street Football Worker, die den Kindern und Jugendlichen in den Straßen auf Augenhöhe begegnen, Trainings organisieren und einfach für alle da sind. Die Kids sollen ja nicht nur Fußball spielen, sondern auch was fürs Leben lernen.

 

In Togo wie in München…

 

Überall wo wir mit buntkicktgut sind. Ich habe damals durch die interkulturellen Straßenfußball-Ligen in München sehr gut Fuß fassen können – eine fremde Stadt, eine fremde Kultur, eine fremde Sprache. Das war nicht leicht. Doch durch buntkicktgut fand ich meinen Platz.

 

Auch einen Ausbildungsplatz. Du warst der erste Auszubildende bei buntkicktgut?

 

Im Jahr 2013 habe ich dort eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann begonnen. 2019 habe ich mich dann selbständig gemacht und habe Einzeltrainings für Fußballer gegeben. Nebenbei war ich noch beim ADAC im Vertrieb tätig. Durch Corona ging das alles den Bach runter. War eine harte Zeit. Doch Rudi sagt immer: Geht nicht, gibt’s nicht! Also: Aufgeben kommt nicht in Frage, jeder kann aus seinem Leben etwas machen.

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Was hast du gemacht?

 

Um weiterhin Geld zu verdienen, habe ich Möbel für ein Einrichtungshaus ausgeliefert und war Kurier für ein Burger-Restaurant in München. Seit über einem Jahr fahre ich Taxi mit einem Freund zusammen. Wir sind ein gutes Team.

 

Und du bist weiterhin als Coach und Street Football Worker im Einsatz…

 

Ohne Fußball geht nicht. (Oussi lacht) Nicht nur mit Bezug auf buntkicktgut. Ich werde auch bald wieder als Sport- und Fitnesskaufmann arbeiten, meine Coachings anbieten. Das ist genau mein Ding. Für Erwachsene, Jugendliche und natürlich Kinder.

 

Zum Abschluss noch eine buntkicktgut-Anekdote mit Rudi und dir?

 

Da gibt es Tausende. Aber bei dieser hier muss ich bis heute immer wieder lachen: Ich war so 13 oder 14 Jahre alt und mit den Harras Boys unterwegs. Rudi hatte uns nach einem Spieltag im Winter  noch zum Essen eingeladen. Ich weiß nicht mehr, eine Pizzeria oder ein Burgerladen. Egal. Auf jeden Fall sitzen wir am Tisch, haben gut gegessen und Rudi sagt zu uns: ‚Geht schon mal raus, ich zahle jetzt.‘ Wir gehen raus zum buntkicktgut-Auto und warten. Fünf Minuten, zehn Minuten! Es ist ziemlich kalt draußen, wir bibbern uns einen ab. Doch Rudi kommt einfach nicht. Also gehen wir alle wieder  rein. Rudi sitzt immer noch da und liest plötzlich eine Zeitung. Wir fragen ihn: ‚Rudi, du wolltest doch zahlen.‘ Da schaut er hoch und sagt überrascht: ‚Ah ja, stimmt, ich komme.‘ Er kann sich unglaublich in Dinge vertiefen und gibt dann alles dafür. So hat er buntkickgut schließlich aufgebaut, so setzt er sich voll und ganz für die Kids ein. Bis heute. Da lässt er sich durch nichts und niemanden von abbringen.

European Homeless Cup 2013

© 2012 buntkicktgut

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